Die Rattenlinie Nord bezeichnet die Fluchtroute von zahlreichen hochrangigen Nationalsozialisten nach Schleswig-Holstein in Richtung Flensburg im Jahr 1945. Bis zu 3.000 SS-Angehörige konnten bei Kriegsende im Mai 1945 in Flensburg untertauchen, indem Flensburgs Polizeipräsident SS-Standartenführer Hans Hinsch durch gefälschte Papiere Mördern und Managern des Holocausts zu Identitäten einfacher Wehrmachtssoldaten verhalf. Auch SS-Führer Heinrich Himmler erreichte mit seinem Stab von 150 Getreuen am 2. Mai Flensburg, zunächst in der Hoffnung, in der Regierung von Hitler-Nachfolger Dönitz mit den West-Alliierten zu verhandeln. Doch Dönitz ließ Himmler ohne Amt und die Alliierten lehnten Verhandlungen ab und forderten die bedingungslose Kapitulation. Im SS-geführten Flensburger Polizeipräsidium besorgte sich Himmler daher neue Papiere, in Mürwik eine passende Uniform und rasierte sich in Kollerup den Schnäuzer ab. Getarnt als „Feldgendarm Heinrich Hitzinger“ gelangte er mit einigen Getreuen über Nord-Ostseekanal und Elbe nach Niedersachsen. Hier wurde er am 20. Mai 1945 von Briten kontrolliert, denen die allzu neuen Papiere auffielen. Zum Verhör nach Lüneburg gebracht, wurde „Hitzinger“ dort am 23. Mai als Himmler enttarnt, zerbiss eine in seinen Zähnen versteckte Zyankalikapsel und starb. Am gleichen Tag verhafteten die Alliierten die Regierung Dönitz in Flensburg, Dönitz, Alfred Jodl und Albert Speer. Viele der NS-Verbrecher, die sich in den deutsch-dänischen Grenzraum geflüchtet hatten, wurden von der britischen Field Security Section (FSS) gefangen genommen. Wer sich aber in Flensburg eine neue Identität zugelegt hatte, konnte zumeist länger untertauchen. Und unterstützt durch ein Kartell schweigender Mitwisser stiegen nicht wenige in der neuen Bundesrepublik – gerade auch in Schleswig-Holstein – in Führungspositionen auf.

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