BEITRAGSORT
Stolpersteine Dorotheenstr. 28
Dorotheenstr. 28, 24939 Flensburg
Stolpersteine
„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.” Seit dem 1. September 2003, anlässlich des Antikriegstages, gibt es in Flensburg sogenannte Stolpersteine. Sie erinnern an die während der NS-Zeit ermordeten Flensburger Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens sowie an andere Opfer des NS-Regimes. Die Initiative dazu ergriffen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und eine Flensburger Privatperson. Von den 42 namentlich bekannten Flensburger Opfern wurden 27 bis November 2019 mit einem Gedenkstein aus der Anonymität geholt. Darunter sind vor allem Menschen jüdischen Glaubens, aber auch Personen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt und getötet wurden, so z. B. Gustav Schreiber. Ihm wurde der Stolperstein im Holm 39 gewidmet. Ebenso wurden Personen des Widerstandes mit Stolpersteinen gewürdigt. So erhielt am 21. November 2019 Emil Alwin Henning Jessen im Junkerhohlweg 13 einen Stolperstein. Am selben Tag brachte der Künstler und Initiator der Stolpersteine, Gunter Demnig, zwei weitere Steine in den Boden: Für Oskar Reinke in der Große Straße 15 sowie für Marie Johanne Lembcke in der Dorotheenstraße 28. Die drei letztgenannten Personen werden stellvertretend vorgestellt (Die Beschreibungen orientieren sich an Texten von Ludwig Hecker, VVN-BDA Flensburg. Informationen zu Marie Johanne Lembcke gab auch Frau Ursula Hartenberger/Brüssel).
Marie Johanne Lembcke
geboren am 9. Oktober 1914
eingewiesen 24.2.1936 Psychiatrie Schleswig
„verlegt“ 23.5.1941 Bernburg
ermordet 23.5.1941 „Aktion T4“
Marie (Mariechen) Johanne Lembcke wurde als jüngstes Kind des Schuhmachers Karl Lembcke und seiner Frau Anna (geborene Grage) in Flensburg geboren. Das Paar hatte noch weitere vier Kinder: Anni, Rudolf und die Zwillinge Karl und Friedrich und wohnte in der Dorotheenstraße 28 in Flensburg. Als Kind erkrankte Marie vermutlich an Hirnhautentzündung, was anscheinend ihre weitere geistige Entwicklung beeinträchtigt hat. Im Februar 1936 wurde Marie Lembcke in die „Heilanstalt“ Schleswig Stadtfeld eingewiesen und dort am 7.4.1936 zwangssterilisiert. Im Zuge der NS-“Euthanasie” erfolgte ihre Deportation mittels der berüchtigten „grauen Busse“ in die Tötungsanstalt Bernburg und die Ermordung am 23.5.1941, gemeinsam mit 132 weiteren Schleswiger PatientInnen. Dies geschah im Kellergeschoss, wo sich Gaskammer und Krematorium befanden. Ihre Asche wurde zusammen mit dem Abfall der Anstalt in einer Grube in einem nahe gelegenen Dorf entsorgt. Aus Akten wird deutlich, dass Mariechens Mutter sofort nach ihr zu suchen begann. Bezüglich des Grundes ihres Ablebens sowie Todestag und -ort hat man sie – wie viele Angehörige – belogen. Die Tötungsanstalt Bernburg war zwischen dem 21. November 1940 und dem 30. Juli 1943 Teil der Landes-Heil- und Pflegeanstalt in Bernburg an der Saale (Sachsen-Anhalt). Hier wurden im Rahmen der Krankenmorde im Nationalsozialismus bei der so genannten „Aktion T4“ mehr als 9300 Kranke und Behinderte aus 38 Fürsorge- und Pflegeeinrichtungen sowie rund 5000 Häftlinge aus sechs Konzentrationslagern mit Kohlenstoffmonoxid in einer Gaskammer ermordet. Insgesamt fielen der „Aktion T4“ von 1940 bis Ende der NS-Zeit 1945 mehr als 70.000 Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen zum Opfer.
Bisherige Standorte der Stolpersteine in Flensburg:
- Norderstraße 27/29, 111 und 145
- Große Straße 15-19, 54 und 69
- Holm 39
- Südergraben 36
- Angelburgerstraße 9
- Burgstraße 6
- Rathausstraße 2
- Stiftungsland Schäferhaus Süd (à Gut Jägerslust)
- Junkerhohlweg 13
- Dorotheenstraße 28
In der vom Kölner Künstler Gunter Demnig 1993 initiierten Aktion erinnern heute in Deutschland etwa 8000 Stolpersteine in 160 Städten gegen das Vergessen. Der erste Stolperstein wurde 1996 in Berlin-Kreuzberg gelegt – noch illegal und erst nachträglich genehmigt. Das Projekt ist am 29. 12. 2019 auf 75.000 verlegte Steine in rund 2.000 Kommunen in 24 Ländern gewachsen. Zudem liegen mittlerweile 25 Stolperschwellen, unter anderem in Buenos Aires, Argentinien. Dort erinnert die Schwelle an ab 1934 ausgewanderte bzw. geflüchtete Deutsche. Stolperschwellen sind geeignet für Orte, an denen Hunderte, vielleicht Tausende Stolpersteine verlegt werden müssten, aber an denen der Platz nicht ausreicht. Als weiteres Beispiel sei eine Stolperschwelle mit dem Verweis auf Tausende von Zwangsarbeiter genannt, die zwischen 1941 bis 44 in den Röchlingschen Eisen- und Stahlwerken für die deutsche Rüstung arbeiten mussten und von denen Hunderte aufgrund unmenschlicher Lebensbedingungen starben. Stolpersteine sind nicht unumstritten: Es gibt Stimmen, die das Betreten oder Beschmutzen als neuerliche Schändung oder Verunglimpfung empfinden.